Über die Sprache erfüllt der Mensch sein Bedürfnis nach Wissen, Austausch und Kommunikation. Mit der Sprache erschliessen sich die Schülerinnen und Schüler die Welt. Wie im Bildnerischen Gestalten und Musik finden sie in der Sprache einen einzigartigen Ausdruck und entwickeln dadurch ihre Identität. Mit Sprache gestalten sie auch soziale Beziehungen. Sprache dient zudem als Mittel für politische Bildung. Über die Sprache zeigen sich Schülerinnen und Schüler als kritik-, argumentations- und reflexionsfähig, integrieren sich verantwortungsbewusst in die Gesellschaft und gestalten diese aktiv mit. Die Befähigung zur bewussten und verantwortungsvollen sprachlichen Kommunikation stellt somit eines der Hauptziele schulischer Bildung dar.

Sprachliche und kulturelle Vielfalt

Die Sprache hat eine Schlüsselfunktion, um gegenseitiges Verständnis, Respekt und Toleranz auszudrücken. Gegenseitige sprachliche Verständigung dient somit als Grundlage für ein friedvolles Zusammenleben. Zur sprachlichen Bildung zählen deshalb sprachliche und interkulturelle Kompetenzen. Sie dienen der Verständigung zwischen den Landesteilen und über Sprachgrenzen hinaus. Die Auseinandersetzung mit ihnen ermöglicht einen Zugang zur (Sprach-)Kultur und zur Geschichte der Region, in der die Sprache eingebettet ist.

In der Schweiz und insbesondere in Graubünden hat die Mehrsprachigkeit eine identitätsstiftende Bedeutung und bildet einen kulturellen Mehrwert. Der Umgang mit Mehrsprachigkeit und kultureller Vielfalt auf kleinem Raum ist Bereicherung und Herausforderung zugleich, sowohl für das Sprachenlernen als auch für das Zusammenleben. Eine Besonderheit stellen Regionen dar, wo mindestens zwei unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. Zur vielsprachigen Schweiz gehören auch zahlreiche Mundarten, die vier Landessprachen und weitere Erstsprachen (Herkunftssprachen).

Kantonssprachen

Die virtuelle und reale Vernetzung unserer Welt hat zur Folge, dass wir privat und beruflich vermehrt mit Menschen anderer Sprachen kommunizieren. Sprachkenntnisse erhöhen die persönlichen und beruflichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Deutsch ist als mündliche und schriftliche Verkehrssprache in der Schweiz und über die Sprachregionen hinaus von zentraler Bedeutung. Das Erlernen einer zweiten Landessprache ist wirtschaftlich und gesellschaftlich begründet. Auf kantonaler Ebene haben die Kantonssprachen Deutsch, Romanisch und Italienisch eine vorrangige Bedeutung. In den romanisch- und italienischsprachigen Kantonsteilen sind Deutschkenntnisse unabdingbar. Italienisch hat auf dem Schweizer Arbeitsmarkt und in den (inter-)nationalen Beziehungen zum benachbarten Tessin und Italien eine wichtige Bedeutung. Romanisch ist als vierte Landessprache, Kantonssprache und Erstsprache der Romanen sowohl für den privaten als auch öffentlichen Sprachgebrauch von Bedeutung.

Englisch und Französisch

In den deutsch- und mehrsprachigen Kantonen bleibt der Gebrauch des Französischen stabil. Französisch ist zudem als gemeinsame Sprache der weltweiten Frankophonie wichtig.

Rechtliche Grundlagen und Empfehlungen

Der Lehrplan 21 stützt sich auf die Sprachenstrategie der EDK vom 25. März 2004. Als Zielsetzungen werden darin folgende Punkte genannt:

  • konsequente Förderung der Kompetenzen in der Schulsprache ab Kindergarten;
  • Erwerb von Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache;
  • Erwerb von Kompetenzen in Englisch;
  • Angebot zum Erwerb von Kompetenzen in einer weiteren Landessprache;
  • Förderung von Kompetenzen in der Erstsprache bei anderer Herkunftssprache.

Im Schweizerischen Sprachengesetz (2007) werden Ziele zur Förderung der individuellen und institutionellen Mehrsprachigkeit formuliert, deren Massnahmen werden in der Sprachenverordnung (2010) erläutert und festlegt.

Für den Kanton Graubünden gelten zusätzlich das kantonale Sprachengesetz (2006), die Sprachenverordnung (2007) sowie das Schulgesetz (2012) und die Schulverordnung (2012).

Jedes Kind bringt die eigene Sprachbiografie und eigene Voraussetzungen mit, die in der schulischen Bildung berücksichtigt werden sollen. Jede Sprache, die ein Kind mitbringt und dazu lernt, hat ihren Wert. Die Wertschätzung der Erstsprache stärkt die (sprachliche) Identität, die Bewusstheit für weitere Sprachen und das Sprachenlernen.

Im Umgang mit Sprache und Texten ermöglicht die Schule von Beginn an ästhetische Erfahrungen, die als Grundlage für sprachliche Reflexion dienen. Interesse an unterschiedlichen sprachlichen Formen (z.B. Rhythmus, Reim, Wiederholung, Vers) und Freude am Umgang mit Sprache (z.B. Wortwahl, Ausschmückungen, Melodie, Lautmalerei) können geweckt werden. Sowohl ästhetische Erfahrungen als auch die Reflexion darüber sind wichtige Voraussetzungen für den Aufbau sprachlicher Kompetenzen und das eigene Sprachschaffen.

Förderung von Sprachkompetenzen als Aufgabe aller Fachbereiche

Sprache hat über den Fachbereich Sprachen hinaus eine besondere Bedeutung. Sprachlernen findet in allen Fachbereichen statt.

Zwischen den in der Schulsprache erworbenen Sprachkompetenzen und Strategien in Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben und den fachspezifischen Sprachkompetenzen können Synergien genutzt werden. Die Schülerinnen und Schüler vertiefen somit ihre sprachlichen Kompetenzen auch in anderen Fachbereichen, indem sie die erworbenen Strategien in einem neuen Kontext anwenden sowie ihren Wortschatz und ihr Repertoire an unterschiedlichen Textsorten erweitern. (siehe auch Grundlagen Kapitel Lern- und Unterrichtsverständnis.)

Für Schülerinnen und Schüler, die Deutsch, Romanisch bzw. Italienisch als Zweitsprache lernen, bietet die Lehrperson in allen Fachbereichen gezielte Unterstützung für den Aufbau von Sprachkompetenzen in der Schulsprache an: Schlüsselbegriffe, Dokumente zum Nachhören, sprachlich vereinfachte Texte, Wörterlisten, lexikalische Vorentlastungen oder eine niveauangepasste Anleitung. Denn während das Sprachgefühl in der Erstsprache intuitiv existiert, muss es für die Zweitsprache bewusst aufgebaut werden.

Deutsch-, romanisch-, italienischsprachige Schulen, zweisprachige Schulen

Der Kanton Graubünden kennt deutschsprachige (mit 1. Fremdsprache Italienisch oder Romanisch), italienischsprachige und romanischsprachige Schulen. Alle Bündner Volksschulen sind grundsätzlich einer dieser vier sprachregionalen Schulen zugeordnet. In mehrsprachigen und deutschsprachigen Gemeinden kann die Regierung auf Antrag der Gemeinde im Interesse der Erhaltung der angestammten Sprache bzw. zur Förderung der Kantonssprachen Romanisch oder Italienisch die Führung zweisprachiger Volksschulen und zweisprachiger Klassenzüge bewilligen. Die verschiedenen Ausprägungen der romanisch-, italienisch- und zweisprachigen Schulen spiegeln sprachkulturelle Besonderheiten.

In romanischsprachigen Schulen ist Romanisch die Schulsprache. Die Gemeinde entscheidet, ob das Idiom oder Rumantsch Grischun als Alphabetisierungssprache gelernt wird. Im 3. Zyklus wird rund ein Drittel der Fachbereiche Natur, Mensch, Gesellschaft, Gestalten und Musik auf Romanisch unterrichtet. Kompetenzen aus dem Modul Berufliche Orientierung werden in Romanisch und Deutsch aufgebaut. Der Lehrplan ist so konzipiert, dass die Fremdsprache Deutsch zunehmend zur zweiten Unterrichtssprache wird. Damit ist die Anschlussfähigkeit romanischsprachiger Schulen an die Sekundarstufe II gewährleistet.

In italienischsprachigen Schulen ist die 1. Fremdsprache Deutsch bereits im 2. und insbesondere im 3. Zyklus höher dotiert als die 1. Fremdsprache im deutschsprachigen Gebiet. Damit wird der Übergang in die Sekundarstufe II erleichtert.

Die zweisprachigen Schulen (z.B. Maloja, Samedan) und Klassen (z.B. Ilanz, Chur) sind ein fester Bestandteil der Bündner Schullandschaft. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Förderung der kantonalen Minderheitensprachen und dienen als Modell für ähnliche Projekte in anderen Kantonen. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass zweisprachiger Unterricht die Motivation fürs Sprachenlernen steigert, den Erwerb sprachlicher Kompetenzen positiv beeinflusst und Transferleistungen fördert.

Weiterführende Informationen sind den Richtlinien zur zwei­sprachigen Führung von Schulen oder einzelnen Klassenzügen im Sinne einer partiellen Immersion zu entnehmen.

Schulsprache als Zweitsprache (Förderung für Fremdsprachige)

Deutsch, Romanisch bzw. Italienisch als Zweitsprache ist Bestandteil des Sprachenlernens in der Volksschule (Förderung für Fremdsprachige), wird im Lehrplan aber nicht speziell dargestellt. Grundsätzlich sind die in der Schulsprache formulierten Grundansprüche anzustreben. Weiterführende Informationen sind den Weisungen zum Förderunterricht für fremdsprachige Schülerinnen und Schüler zu entnehmen.

Unterricht in Heimatlicher Sprache und Kultur

Im Unterricht in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) erweitern die mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler Kompetenzen in ihrer Erstsprache und Kenntnisse über ihre Herkunftskultur. Trägerschaften des HSK-Unterrichts stellen in der Regel die Konsulate oder Botschaften der Herkunftsländer dar, teilweise sind es auch private Vereine. Die Schulträgerschaften stellen diesen gemäss Schulgesetz unentgeltlich Unterrichtslokalitäten zur Verfügung und nach Möglichkeit räumen sie die notwendige Zeit auch während des üblichen Unterrichts ein.